Unsere Raddemo zum Safe Abortion Day am 28.09.21

Seit 150 Jahren werden Frauen und Menschen mit Gebärmutter vom deutschen Strafgesetz unterdrückt. Ihnen wird abgesprochen, frei über ihre Körper entscheiden zu können. Ihnen wird der Zugang zu medizinischer Information und zu sicheren Abbrüchen erschwert. Das muss endlich ein Ende haben!

Deshalb gingen am 28.09. überall in Deutschland und der Welt Feminist*innen am Safe Abortion Day auf die Straßen. Ebenso in Merseburg! Mit 25 Leuten und guter Musik zogen wir durch die Stadt. Los ging es am Bahnhof um 16:30 Uhr, nach ein paar Runden im Kreisverkehr bog unsere Kolonne Richtung Hochschule ab. Von da fuhren wir über die B91 und die Straße des Friedens nach Merseburg Süd, einem Stadtteil, dem wir bislang noch mit keiner Demo einen Besuch abgestattet hatten. An den Gesichtern der Anwohner*innen, die uns vom Balkon und aus dem Fenster aus zuwinkten, konnten wir erahnen, dass eine Fahrraddemo dort ein eher ungewöhnliches Ereignis sein muss. Zwei Kinder auf Fahrrädern begleiteten uns sogar ein Stück auf dem Gehweg bis zum Rand des Stadtteils.

In der Altstadt angekommen begrüßte uns ein Fascho erstmal mit verfassungsfeindlichem Gruß, was wir umgehend zur Anzeige bei den Democops brachten. Nach diesem absolut ungeilen, aber für Merseburg leider nicht ungewöhnlichem Zwischenfall, setzten wir unser Programm fort und verlasen einige exemplarische Vorurteile über Schwangerschaftsabbrüche, um sie danach sachlich richtig zu stellen.

Jede fruchtbare Person kann ungewollt schwanger werden

Beispielsweise ist es Unfug, dass nur verantwortungslose Menschen, die nicht richtig verhüten, ungewollt schwanger werden, da kein Verhütungsmittel 100%ig sicher ist. Ganz unabhängig davon wäre auch Fahrlässigkeit kein Argument, um Menschen dazu zwingen zu wollen ein Kind auszutragen. Ein ungeborenes Kind ist eben kein Geschenk, das man annehmen, sondern vor allem ein fühlendes Wesen, um das man sich kümmern können muss. Finanzielle, psychische, zeitliche oder emotionale Gründe können dagegen sprechen, ein eigenes Kind haben zu wollen. Es ist in Ordnung und sollte nicht gerechtfertigt werden müssen, keinen Kinderwunsch zu haben.
Die meisten Schwangerschaftsabbrüche werden von Frauen in Anspruch genommen, die bereits eigene Kinder haben und lediglich nicht noch weitere wollen. Auch mit Kinderhass hat Abtreibung also wenig zu tun. Wenn du mehr zu solchen interessanten Fakten lesen willst, schau dir mal mehralsdudenkst.org an! Von den dort bereitgestellten Infos haben wir auch diese Beispiele entnommen.

Die Coronapandemie verschärft die medizinische Versorgung weiter

Auch die Sexualwissenschaftlerin Johanna Licht, die kürzlich ihr Masterstudium an der Hochschule Merseburg absolvierte, unterstützte uns mit einem Redebeitrag. Darin berichtete sie von den Ergebnissen ihrer Studie zur medizinischen Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen während der Coronapandemie. Nach ihren Erkenntnissen verschärfte die Pandemie die lokalen Situationen: Wo aufgeschlossene und bemühte Ärzt*innen ansässig waren, denen die Notwendigkeit und Unaufschiebbarkeit von Abbrüchen bewusst ist, wurde Schwangeren auch weiterhin oder sogar verstärkt geholfen, Schwangerschaften rechtzeitig und sicher zu beenden. In Gegenden, in denen ohnehin schon ein Mangel an dieser medizinischen Grundversorgung bestand, waren Betroffene plötzlich auf sich allein gestellt. Aufgrund des Infektionsgeschehens wurden Termine abgesagt oder hinausgezögert. Das ist eine Katastrophe, “denn: Schwangerschaftsabbrüche sind nicht verschiebbar. Sie müssen innerhalb der ersten 12 bis 14 Schwangerschaftswochen stattfinden, sonst machen sich die Beteiligten strafbar” (Zitat aus dem Redebeitrag).

Der Kampf um Gleichberechtigung und sexuelle Selbstbestimmung muss weiter gehen

Nach der Kundgebung am Entenplan radelten wir über die Domstraße und das Rosental zurück auf die König-Heinrich-Straße und zum Bahnhofsplatz. Dort endete unser kleiner, aber feiner Demozug, nachdem wir abschließend einen Beitrag von der Fachtagung “150 Jahre §218 StGB” im August 2021 vorgelesen hatten.

Danke an alle Aktivisti*, die da waren, um dieses wichtige Thema auch in Merseburg unter die Leute zu bringen und für Gleichberechtigung, Menschenrechte, medizinische Grundversorgung und eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zu protestieren. Bis §218 und §219a endlich ersatzlos gestrichen sind! Our body, our choice!